Akzo Nobel & der Verhaltenskodex: Ein Brief errötet nicht
Papier ist geduldig. Das weiß der Volksmund. Und das weiß man wohl auch bei Akzo Nobel. Dort hat man einen „Verhaltenskodex“ herausgegeben, der 56 reich bebilderte Seiten umfasst und den man sich im Internet als PDF herunterladen kann.
„Sicherheit, Integrität und Nachhaltigkeit“: Das seien die Grundprinzipien für alles Handeln bei Akzo Nobel, schreibt CEO Ton Büchner in seinem Vorwort. Diese Grundprinzipien „bilden den Kern unserer Vision, Spitzenleistungen zu erbringen. Bei dieser Vision geht es um einiges mehr als Umsätze, Targets oder Marktanteile. Sie gibt uns vielmehr Handlungsvorgaben, die anderen zeigen, dass sie sich auf unser richtiges Handeln verlassen können.“

Wurden diese Handlungsvorgaben auch von den Akz Nobel-Managern beachtet, die monatelang unter strenger Geheimhaltung mit der Firma Ensutec verhandelten – und dann kurz vor Vertragsunterzeichnung die Sehon GmbH „ins Boot“ holen wollten, wofür die Ensutec Products GmbH teuer bezahlen sollte? Und als sie, weil Ensutec-Chef Thomas Mayer nicht zahlen wollte, die Verhandlungen kurzerhand abbrachen – um wenige Monate später ein eigenes Gerät namens „Paint Perform Air“ auf den Markt zu bringen, das in seiner Wirkweise wie eine Kopie der Ensutec-Geräte anmutet?
Wird Verhaltenskodex auch von Akzo Nobel-Managern beachtet?
„Wir treten auf faire und ehrliche Weise in Wettbewerb“, so lesen wir im Verhaltenskodex. CEO Büchner schreibt dort auch, der Verhaltenskodex übersetze „unsere Grundprinzipien Sicherheit, Integrität und Nachhaltigkeit“ in die Praxis.
Im konkreten Fall sind Zweifel erlaubt, ob die gelebte Praxis bei Akzo Nobel wirklich stets im Einklang mit den vorbildlichen Vorgaben des Verhaltenskodexes steht. Deshalb schickten wir folgende Frage an die Verantwortlichen bei AkzoNobel Stuttgart:
Entspricht das Vorgehen von Akzo Nobel im Fall Ensutec Ihren Vorstellungen von einem „fairen Wettbewerb“, der im „Verhaltenskodex für Geschäftspartner“ beschrieben wird?
Eine Antwort auf diese nicht sonderlich schwierige Frage bekamen wir nicht aus Stuttgart. Aus Amsterdam schickte uns Konzernsprecherin Julia Huss eine E-Mail, in der folgender Satz zu lesen war:
Akzo Nobel hat einen strikten Verhaltenskodex und fordert alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, sich daran zu halten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Akzo Nobel werden regelmäßig in diesem Verhaltenskodex geschult, und es gibt ein System zu Meldungen zu Verstößen gegen den Verhaltenskodex.
Das alles ist unstrittig, war aber nicht unsere Frage und ist deshalb natürlich keine Antwort auf unsere Frage. Der Satz könnte in einem Lehrgang für angehende Medienwissenschaftler als Beispiel für reaktante Kommunikation dienen. Dabei lesen wir im Akzo Nobel-Verhaltenskodex doch ausdrücklich auch dieser Satz: „Wir kommunizieren auf professionelle Weise.“
Ist der Verhaltenskodex des Konzerns, diese Frage stellt sich weiterhin, vielleicht nur ein Stück Papier ohne jede Verbindlichkeit und Aussagekraft? Entsprechende Vermutungen wurden jedenfalls nicht ausgeräumt.
„Epistola non erubescit.“ So formulierte schon in der Antike der römische Schriftsteller Cicero: Ein Brief errötet nicht. Oder um es mit dem Volksmund zu sagen, der so dumm tatsächlich nicht ist: Papier ist wirklich sehr geduldig…
09. Dezember 2019