Paint Perform Air: Wundersamer Mit-Entwickler aufgetaucht
Dunkle Geheimnisse liegen wie drohende Gewitterwolken über dem verschachtelten Gebäudekomplex von Akzo Nobel in Stuttgart: Plötzlich heißt es, eine zweite Firma sei an der Entwicklung des Geräts „Paint Perform Air“ beteiligt gewesen. Die Firma ist allerdings recht ominös, ihr Mitwirken kann nur auf recht wundersame Weise geschehen sein. Auch sonst haben unsere Recherchen jede Menge neuer Frage aufgeworfen. Ganz merkwürdig: Die Beteiligten wollen partout nichts sagen. Das ist dann schon wieder vielsagend…
Zu Beginn dieses Jahres haben mehrere Lackier-Unternehmer, auf unseren Wunsch hin, bei Akzo Nobel ein vorgebliches Interesse am Paint Perform Air bekundet. Umgehend wurden einige von ihnen in das Trainingszentrum des Konzerns nach Stuttgart eingeladen: Dort wurde ein anthrazitgrauer Metallschrank ausführlich vorgestellt, die Besucher durften einem Lackierer beim Lackieren zuschauen, und sie bekamen schließlich diverse teils bunt bebilderte Unterlagen in die Hand gedrückt.
Auf diese Weise wurden sie erste Zeugen einer neuen Botschaft: Bisher war in allen uns vorliegenden öffentlichen Verlautbarungen der Eindruck erweckt worden, dass der PPA eine ureigene Akzo Nobel-Erfindung ist. Davon rückt man jetzt offensichtlich ab. Bei dem Gerät, so ist den neuen Unterlagen zu entnehmen, handelt es sich keineswegs um eine reine Akzo Nobel-Eigenleistung. Vielmehr sei das Gerät gemeinsam mit einer Firma entwickelt worden, die jetzt auch für die Herstellung zuständig zeichnet.
Die Firma nennt sich Copps GmbH.
Es ist natürlich lobenswert, wenn ein Weltkonzern mit der Wahrheit herausrückt. In diesem Fall aber wird zugleich ein neuer Höchstwert auf der nach oben offenen PPA-Peinlichkeitsskala erreicht. Denn die bisherige Reklame („AkzoNobel bringt jetzt eine Innovation auf den Markt, die alles verändern wird“) wirkt seither wie unangenehm müffelnde Selbstbeweihräucherung. Was direkt zu diesen Fragen führt:
Warum nur haben die Stuttgarter Manager so lange verschwiegen, dass es einen Co-Entwickler gab?
Oder, böser Verdacht: Gibt’s den in Wahrheit gar nicht? Wird hier wieder nur getrickst?
Überraschen würde das jedenfalls nicht:
Wie sich Akzo Nobel wohlwollende Berichterstattung verschafft
Alles hatten sie getan, um den PPA in ein möglichst strahlendes Licht zu rücken. Kein Schatten sollte den Glanz des Gerätes trüben, das – glaubt man den Reklame-Sprüchen – einen „marktweit einzigartigen technologischen Vorteil“ bieten soll:
Zur ersten PPA-Vorstellung im November letzten Jahres wurden nur ausgesuchte Medien eingeladen. Offensichtlich ist man in Stuttgart der Überzeugung, dass man sich auf diese Weise als großer Konzern eine wohlwollende Berichterstattung sichern kann.
Ein Journalist, der im Vorfeld kritische Fragen gestellt hatte, wurde schon beim Betreten des Hotels abgefangen: Mit der zweifelhaften Begründung „Geschlossene Veranstaltung“ untersagte ihm eine Unternehmenssprecherin, die später als „Weltpremiere“ gefeierte Produktpräsentation mitzuerleben.
Der Konzern offenbarte damit nicht nur ein zweifelhaftes Verständnis von Pressefreiheit. Schon damals drängte sich der Verdacht auf, dass es tiefere Gründe für derlei Geheimnistuerei geben könne. Die Vermutung verstärkte sich, als wir im Zuge unserer Recherchen erneut Fragen hatten und Akzo Nobel um Antworten baten:
Die Verantwortlichen in Stuttgart gingen sofort auf Tauchstation. Auskünfte zum PPA? Gibt’s nicht! Wenn überhaupt, dann nur in Amsterdam.
Doch auch in der Europazentrale des Konzern zeigte man sich äußerst wortkarg: Unsere Fragen wurden nicht beantwortet.
Was ist denn das nur für ein unprofessionelles Verhalten? Oder gibt’s tatsächlich etwas zu verbergen?
Unser Bericht über die neue Lackgerätefirma war ein Volltreffer
Der Versuch des Konzerns, die Medien zu steuern, hat funktioniert, aber nur für kurze Zeit. Die Fachmedien veröffentlichten artig, was Akzo Nobel ihnen vorsetzte. „Akzo Nobel bringt eine Innovation auf den Markt…“: So fingen gleich mehrere Berichte an, so war es in der Pressemitteilung des Konzern vorformuliert worden.
Heute wissen wir: Schon dieser erste Satz war nicht korrekt. Der Weltkonzern hat das Gerät mitnichten allein geschaffen, wie bislang suggeriert wurde. In den Unterlagen, die uns kürzlich aus Stuttgart übermittelt wurden, heißt es wörtlich: Der PPA sei„gemeinsam von der Firma Copps und Akzo Nobel“ entwickelt worden.
Schnelle Zwischenfrage: Kennt irgendwer aus der Lack-Branche die Firma? Hat irgendwer schon Erfahrungen mit der Copps GmbH gemacht? Zweimal nein? Das ist kein Wunder!
Als wir diese Webseite Anfang des Jahres online stellten, machten wir auch die Existenz der Copps GmbH öffentlich: Die Firma war kurz zuvor gegründet worden und offeriert auf ihrer – bis heute weitgehend leeren – Webseite „Maschinen und Anlagen für die Oberflächenbearbeitung“.
Wir hatten schon damals einen Zusammenhang zwischen der Copps GmbH und dem PPA gesehen: Denn der Firmengründer – er heißt Michael Teschke – betreibt in Bietigheim-Bissingen eine kleine Werbeagentur, die hauptsächlich für den Lackkabinenhersteller Sehon arbeitet. Und genau diese enge Zusammenarbeit zwischen Teschke und Sehon war der Grund für unsere Vermutung, dass die Gründung der Copps GmbH imin einem engen Zusammenhang mit dem Paint Perform Air stehen müsse.
Der Bericht war ein Volltreffer, wie wir jetzt wissen. Zum besseren Verständnis müssen wir einen kurzen Exkurs machen:
Akzo Nobel-Manager gingen vor Sehon in die Knie
Akzo Nobel hatte ursprünglich die „airmatic“-Geräte der Firma Ensutec Products GmbH exklusiv vertreiben wollen. Die gibt es seit einigen Jahren, und sie haben sich in der Praxis bestens bewährt: Sie sorgen dank patentierter Technologie mit Ionisierung, Erwärmung und Befeuchtung für eine deutliche Verbesserung der Lackierergebnisse. Sie leisten also all das, was jetzt der PPA können soll.
Der Stuttgarter Akzo Nobel-Geschäftsführer Benjamin Burkard und sein Technikmanager Armin Dürr hatten die airmatic-Geräte im Jahr 2018 in ihrem Konzern intensiv testen lassen Das Urteil fiel eindeutig aus: Deutliche Oberflächenverbesserung, schwärmten die Techniker von Akzo Nobel. Erhebliche Lackeinsparungen! Kürzere Trocknungszeiten! Alles super!
Anfang 2019 sollten die Verträge unterschrieben werden. Doch urplötzlich tauchte Tiemo Sehon auf und hielt beide Hände auf: Der Lackkabinenhersteller aus Gechingen, der damals die „airmatic“-Geräte unter selbstkreierten Phantasienamen wie „Aircommander“ und „Applikationmanager“ vertrieb, verlangte für jedes an Akzo Nobel verkaufte Gerät eine Provision. In der Summe hätte er einen Millionenbetrag kassiert.
Bis heute ist völlig unerklärlich, was die Akzo Nobel-Manager veranlasste, sich darauf einzulassen. Die Geschäftsbeziehung zu Sehon sei ihnen wichtig, gaben sie mal als Grund an. Zahlen sollte dafür allerdings die Ensutec GmbH: Die müsse einen Teil ihrer Erlöse an Sehon weiterreichen, hieß es bei Akzo Nobel, ansonsten werde man nicht ins Geschäft kommen.
Dumm gelaufen: Ensutec-Chef Thomas Mayer „spielte“ nicht mit. Daraufhin platzten die Vertragsverhandlungen. Das war im April letzten Jahres.
Kein halbes Jahr später ließ Akzo Nobel den Namen „Paint Perform Air“ schützen. Und im November 2019 präsentierte Armin Dürr das neue Gerät. O-Ton: „AkzoNobel bringt jetzt eine Innovation auf den Markt, die alles verändern wird“
Anfangs lief auch alles bestens, wenigstens aus Sicht der Konzernmanager. Die Fachmedien berichteten wie erwartet sehr positiv. Auf Youtube wurde ein Video zum PPA veröffentlicht: „Die Welt ist nicht gemacht für den Stillstand“…
PPA-Werbesprüche als billigen Reklamerummel enttarnt
Doch dann passierte der GAU, der Größte Anzunehmende Unfall: Das ganze Geschehen rund um den PPA wurde öffentlich bekannt! Die gierigen Geldforderungen Sehons, der ohne nachvollziehbaren Grund Provisionen in Millionenhöhe einstecken wollte, Das durchtriebene Verhalten der Akzo Nobel-Manager, die einen Geschäftspartner kurz vor Vertragsabschluss mit hohen Geldforderungen konfrontierten und die damit im deutlichen Widerspruch zum firmeneigenen Verhaltenskodex agiert haben dürften.
Alles, alles kam heraus!
Die Veröffentlichung offenbarte nicht nur äußerst dubiose Geschäftspraktiken in der Lack-Branche. Sie enttarnte auch die lautstarken Werbesprüche zum PPA als billigen Reklamerummel. Akzo Nobel hatte eine „einzigartige Technologie“ versprochen, doch jetzt war klar: Einzigartig ist der PPA ganz bestimmt nicht! Das Original stammt aus der schwäbischen Ideenschmiede Ensutec, nennt sich „airmatic Revolution“ und verfügt über eine Technologie, die mit mehreren Patentanmeldungen geschützt ist und sich in der Praxus längst bewährt hat.
Die Akzo Nobel-Manager hatten die Produkte der Firma Ensutec exklusiv vertreiben wollen und nach intensiven internen Tests hochgelobt. Entsprechende Dokumente liegen vor.
Und auch die Firma Sehon hatte die airmatic-Geräte immer wieder als sinnvolle, ja notwendige Ergänzung für Lackierkabinen angepriesen: „Weltneuheit für schnellhärtende und energiearm reagierende Lacke“, „ein echter Mehrwert-Bringer für jeden Lackierbetrieb, egal ob Industrie oder Handwerk“, „für noch bessere Lackierergebnisse“ usw. usf. So hatte Sehon immer wieder in aller Öffentlichkeit geschwelgt.
Das Internet vergisst nicht. Dort sind Sehons Lobpreisungen der airmatic-Geräte noch heute zu finden. Und das alles soll jetzt nicht mehr gelten, weil ein Konzern gemeinsam mit einer No-Name-Firma schnell Kasse machen will und Lackierern eine Kopie des Originals als „einzigartige Innovation“ unterzujubeln versucht?
Aufruhr in der Lack-Branche!
Vor einem Jahr wollte Akzo Nobel die Geräte der Firma Ensutec Products GmbH exklusiv vertreiben. Uns liegt eine Powerpoint-Präsentation vom „Jahrs-Kick-off 2019“ vor: Darin behauptet Akzo Nobel, das Ensutec-Gerät „airmatic Revolution“ (damals „Applikationmanager“ genannt) sei in Zusammenarbeit mit der Firma Ensutec entwickelt worden (oben). Das war eindeutig die Unwahrheit: An der Entwicklung der Airmatic-Geräte hat Akzo Nobel niemals mitgewirkt!
Wie konnte ein technischer Laie die hochkomplexe PPA-Technologie mitentwickeln?
Akzo Nobel verbreitet heute – erst heute! –, dass man das Gerät „gemeinsam mit der Firma Copps GmbH“ entwickelt habe. Falls das wirklich die Wahrheit sein sollte, wirft es neue Fragen auf:
Die Copps GmbH wurde im Oktober letzten Jahres gegründet.
Im November 2019 stellte Akzo Nobel seinen Paint Perform Air in Frankfurt vor.
Zwischen Firmengründung und Produktpräsentation lag also ungefähr ein Monat. Wir wollten von Akzo Nobel wissen, wie das möglich war: Wenn der PPA gemeinsam von Copps und Akzo Nobel entwickelt wurde, müsste das ja in wenigen Wochen geschehen sein.
Der Konzern wollte diese Frage nicht beantworten.
Copps-Firmenchef Teschke ist inzwischen 64 Jahre alt. Ein Werbeagentur-Betreiber, der ausweislich seines Lebenslaufes weder Ingenieur noch Techniker ist. Es wäre interessant zu erfahren, wie Akzo Nobel das Zusammenwirken mit einem technischen Laien bei einer hochkomplexen Technologie erklärt. Aber leider, siehe oben: Der Konzern will unsere Fragen nicht beantworten.
In den Unterlagen, die uns übermittelt wurden, wird empfohlen, nach dem Kauf eines PPA einen Wartungsvertrag mit der Copps GmbH abzuschließen. Kosten: 450 Euro. Auch dazu hatten wir Fragen an Akzo Nobel geschickt und natürlich auch an Copps-Chef Teschke. Nicht zuletzt deshalb, weil eine Wirtschaftsauskunftei der Copps GmbH nur eine sehr schwache Bonität bescheinigt. Lackierunternehmen aber werden doch bestimmt höchstmögliche Sicherheit haben wollen, damit sie ein mehr als 30.000 Euro teures Gerät auch langfristig nutzen können, oder?
Deshalb fragten wir Herrn Teschke: Wie will er mit seinem kleinen Unternehmen die Wartung des PPA dauerhaft sicherstellen?
Und an Akzo Nobel stellten wir diese Frage: Was ist, wenn die kleine Copps GmbH eines Tages mit dem PPA überfordert sein sollte? Gibt Akzo Nobel Garantien oder anderweitige Sicherheiten, wenn PPA-Interessenten den Werbesprüchen von Akzo Nobel Glauben schenken und bei der Copps GmbH einen PPA erwerben wollen?
Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass sich die beiden vermeintlichen PPA-Entwickler abgesprochen haben. Unsere Fragen wurden nicht beantwortet.
Kann Sehon jetzt am Geschäft der Copps GmbH mitverdienen?
Bleibt noch dieses Thema: Ende 2018/Anfang 2019, als Akzo Nobel noch plante, die airmatic-Geräte der Firma Ensutec Products GmbH exklusiv zu vertreiben, tauchte – wie gesagt – Tiemo Sehon auf: Er wollte mitkassieren, es ging um Millionen, es klappte nicht.
Kein Jahr später brachte Akzo Nobel ein ähnliches Gerät auf den Markt, das angeblich von Sehon-Werber Michael Teschke mitentwickelt wurde. Hat Sehon davon gewusst? Und kann er denn jetzt mitkassieren?
Es würde die ebenso überraschende wie eigentlich unvorstellbare Zusammenarbeit von Akzo Nobel mit einer No-Name-Firma plötzlich viel besser erklärlich: Mischt Sehon vielleicht im Hintergrund mit?
Wir hatten dazu mehrere Fragen auch an Tiemo Sehon geschickt. Er hat nicht geantwortet. Auf telefonische Nachfrage ließ er ausrichten, er wolle mit dem Autor dieser Webseite nicht reden.
Lackierer, aufgepasst: Besteht Verbrühungsgefahr beim PPA?
Akzo Nobel kämpft unterdessen weiter, um in der Lack-Branche Käufer für den PPA zu finden. Im „LackiererBlatt“ lasen wir diesen Monat einen wohlwollenden Bericht; in der gleichen Ausgabe erschien eine ganzseitige PPA-Anzeige: War das die Gegenleistung? Zuvor hatte die Zeitschrift „FML“ drei Seiten dafür hergegeben, um zu erzählen, wie eine PPA-Schulungsmaßnahme mit Lackierunternehmern abläuft. Und wie toll das Gerät sei. Das Ganze soll wohl aussehen wie Journalismus. ist aber nur Werbung. Schlicht und durchschaubar.
Lackier-Unternehmer, die uns von den PPA-Schulungen berichten, erzählen ganz andere Geschichten, die in den Fachmedien allerdings keine Erwähnung findet: Der Druckluftschlauch des PPA sei total unhandlich, sagen sie. Viel zu dick und viel zu schwer. Er sei wohl um Leitungen erweitert worden, in denen bis zu 80 Grad heißes Wasser die Druckluft erwärmen soll. Abgesehen von der unhandlichen Form: Was ist eigentlich, fragt ein Unternehmer, wenn ein so heißer Schlauch während der Arbeit platzt? Droht dem Lackierer Verbrühungsgefahr?
Die Druckluftpistole werde zudem so heiß, dass man sie nicht mit bloßen Händen anfassen könne, sondern extra Schutzhandschuhe tragen müsse. Und das soll eine Innovation sein, „die einen guten Lackierer noch besser macht“, wie Akzo Nobel-Technikmanager Armin Dürr stereotyp behauptet?
Wir haben zu dieser technischen Beschaffenheit des PPA mehrere Fragen formuliert und diese an Akzo Nobel geschickt, natürlich auch an den Hersteller Michael Teschke von der Copps GmbH sowie an Tiemo Sehon, der als Fachmann sicherlich zur Aufklärung beitragen könnte.
Wir müssen uns wiederholen: Keiner der Befragten wollte unsere Fragen beantworten.
Dafür lesen wir in der sogenannten Fachzeitschrift FML: „Zum Abschluss dieses Schulungstages ziehen die Kunden ihr Fazit, und das fällt durchweg positiv aus.“
Na denn. Wer’s glaubt…
09. März 2020